Leseprobe aus Kapitel 10 "Spezielle Liebesbeziehungen"

Spezielle Liebesbeziehungen sind nie frei von Schuldgefühlen. Irgendwo dämmert es uns, dass wir vom anderen etwas nehmen, um selbst heil und ganz zu werden, ihm aber wenig dafür bieten können. Dieses unterdrückte "Wissen" ist mit verdrängten Schuldgefühlen verbunden. Diese können so stark werden, dass irgendwann die bloße Anwesenheit der speziellen Person genügt, uns daran zu erinnern, was wir eigentlich tun. Wenn die Schuldgefühle bis in die oberen Schichten des Unterbewussten vorgedrungen sind, werden sie in Ärger übersetzt. Dann fühlt sich der Betroffene durch die Anwesenheit des Partners/der Partnerin ohne ersichtlichen Grund irritiert und muss einen Grund an den Haaren herbeiziehen - die Frisur, die Kleidung oder auch die Ausdrucksweise. Vielleicht versucht er, diesen Impuls zu beherrschen, aber die Energie verdichtet sich, und schließlich kommt er nicht mehr darum herum, sie zum Ausdruck zu bringen. Ein Bekannter von mir spürte diese Irritation eines Tages und behielt sie so lange wie möglich für sich, aber als er und seine Frau einmal zu einer Party gehen wollten und er den Wagen rückwärts aus der Einfahrt fuhr, konnte er nicht länger an sich halten und platzte heraus: "Musste es unbedingt dieses Kleid sein?" Seine Frau war bereits verunsichert gewesen und war nun am Boden zerstört. Sie ging in Abwehrhaltung und wurde wütend. Beide verlegten sich nun auf Verteidigung durch Angriff. Wenn sich solche Vorfälle wiederholen, kann sich ihre Energie aufstauen, bis wir es mit einer regelrechten speziellen Hassbeziehung zu tun haben, in der sich die beiden gegenseitig beschuldigen.